Bericht vom Hallenturnier des FC Liverpool in Dudweiler (25.4.93). Von Andreas Kläser.
"KC Völklingen", "Hänsel und Gretel" und "Mir hann kän Name", so hießen unsere Vorrundengegner bei diesem Mammut-Hallenturnier, für das sich 16 Mannschaften angemeldet hatten. Namen, die mehr oder weniger lustig waren (überboten nur von dem schönen deutschen Namen Kassala Labal), die aber verständlicherweise keinen Aufschluß über die Leistungsstärke dieser Teams und auch über unsere Chancen gaben. So fuhren wir dann guten Mutes und ziemlich optimistisch nach Dudweiler. Unser Ziel war das Erreichen der Zwischenrunde, das war wenig angesichts unseres dritten Platzes 6 Wochen zuvor und viel angesichts unserer Erfolglosigkeit in früheren Zeiten.
Am optimistischsten war wohl Tucker mit seiner Prognose "Mir sinn voll Favorit, ey!", wir anderen waren da vorsichtiger, zumal wir ohne Fans angereist waren: So fehlte mit Kerstin Ziegler, Jörg Hoffmann, Nadja Faust, Birgit Friedrich, den Heidenreichs und vielen anderen die akustische Unterstützung, und unsere Taktik (kontrollierte Defensive) war auch nicht darauf angelegt, das Publikum zu begeistern. Trotzdem bleibt es ein mittelfristiges Ziel, mal nicht alle unsere Fans mit dem Namen zu kennen.
Vor dem Turnier hatte ich darauf gebaut, daß wir vielleicht unterschätzt werden würden, aber Hödde, Ihlee, Thielee und Jens vereitelten diesen Plan, indem sie sich den Ball geierten und ihn so um die fünf Minuten in der Luft hielten, ohne daß er den Boden berührte. Ob unsere Gegner dadurch geschockt oder nur gewarnt waren, sollte sich erst im Laufe des Tages zeigen.
Kurz bevor unser erstes Spiel eigentlich beginnen sollte, erfuhren wir, daß der KC Völklingen (der Stadionsprecher sagte einmal "KZ") wegen eines Unfalls nicht vollzählig war und das Spiel deshalb verlegt wurde. Natürlich protestierten wir, denn in den Regeln stand ausdrücklich, daß ein Spiel automatisch mit 2:0 gewertet werden würde, wenn ein Gegner nicht rechtzeitig antritt. Mit 25-minütiger Verspätung wurde das Spiel dann doch angepfiffen, und der KCV spielte gegen uns verhalten, harmlos und auch fair. Dennoch wurde ich nicht gerade ruhiger, als wir zu Beginn einige gute Chancen vergaben. Dann leitete Lemmi einen Ball geschickt zu Jens weiter, und dieser stärkte das Selbstvertrauen der ganzen Mannschaft, indem er ihn zum 1:0 im Netz versenkte. Es sprach für uns, daß wir uns danach nicht ganz zurückzogen, sondern immer wieder gefährliche Konter fuhren, von denen einer die Entscheidung brachte. Wieder leistete Lemmi die Vorarbeit, aber diesmal war Paulus der Vollstrecker. Lediglich eine gute Chance hatte der KCV zu verzeichnen, doch mein rechter Daumen und die Querlatte standen dem im Weg. Nun hatten wir das Spiel auch so mit 2:0 gewonnen, was mit Sicherheit besser war als eine Entscheidung am grünen Tisch.
Unsere weiteren Gruppengegner lieferten ebenfalls ein gutes erstes Spiel, das Hänsel & Gretel mit 3:0 gewann, sodaß wir uns noch keineswegs in der Zwischenrunde wähnen durften.
Während Hödde zur Überbrückung der Spielpause sein Uno-Spiel auspackte, faßten Tucker und Lemmi den Entschluß, zu in der Nähe wohnenden Verwandten essen zu gehen. Angesichts der Tucker-Aktion vom letzten Hallenturnier befürchtete ich Schlimmes, doch diesmal zu Unrecht: Beide waren pünktlich wieder da.
Im zweiten Spiel waren wir noch klarer überlegen. "Mir hann kän Name" spielte wie "Mir hann kän Plan" und verlor das Spiel mit 3:1. Jens uns zweimal Marc trafen für uns, ehe dem Gegner in der Schlußminute der Ehrentreffer gelang. Nachdem der KCV im Spiel gegen Hänsel und Gretel nicht mehr ganz so fair spielte (nach 2 Siebenmetern für den Gegner demonstrierte man, daß man - wenn schon nicht mit dem Fuß den Ball - so doch mit der Faust die Nasen der Gegenspieler treffen konnte), wurde er disqualifiziert und durfte die Heimreise antreten. Damit waren wir schon weiter. Es ging jetzt nur noch darum, ob als erster oder als zweiter. Dies sollte sich im letzten Vorrundenspiel entscheiden, in dem wir uns auch nicht auf unsere Mauertaktik verlassen konnten, denn ein Unentschieden langte nicht zum Gruppensieg. Die Folge war, daß ich in diesem Spiel mehr laufen mußte als im ganzen übrigen Turnier, denn bei aufgerückter Abwehr muß ein Torwart nun mal Steilpässe abfangen, und von denen gab es in diesem Spiel eine ganze Menge. Das 0:0 am Ende war dann doch etwas glücklich für uns, denn in zwei Szenen mußten Jens und Lemmi auf der Torlinie retten.
Im Endeffekt brachte uns das 0:0 aber auch nicht mehr als eine Niederlage, denn wir waren nur Gruppenzweiter und hatten damit vom Papier her die schwereren Gegner in der Zwischenrunde.
Wir trösteten uns damit, daß jetzt im Prinzip sowieso keine leichten Gegner mehr kommen würden und ließen die Dinge auf uns zukommen. Mein persönlicher Favorit zu diesem Zeitpunkt war neben Hänsel und Gretel die Mannschaft von real,- Saarbrücken, und gegen die ging es im vierten Spiel.
Es war klar zu erkennen, daß viel auf dem Spiel stand. Keiner wollte was riskieren, das Match wirkte im Vergleich zu unseren anderen Begegnungen lahm und unmotiviert. Die Frage war, ob und wer den ersten Fehler machen würde. In der 7. Minute gelang es uns dann, eine Unaufmerksamkeit von real,- SB auszunutzen. Das reichte zum Sieg, und wieder war Paulus nach Vorlage von Jens der Matchwinner.
Das war wohl der wichtigste Sieg des Turniers, denn nun würden schon zwei 0:0-Spiele genügen, um ins Halbfinale zu kommen, und das trauten wir uns allemal zu. Im Spiel gegen Mittelmeer Saarlouis ging dieser Plan 100%ig auf, in einem erneut vorsichtigen Spiel (nur um das Wort destruktiv nicht zu benutzen) gab es kaum Torchancen und keine Tore.
Die Ausgangsposition vor Spiel Nummer 6 war die, daß eine Niederlage unser Aus bedeuten würde, mal von der theoretischen Möglichkeit der Schützenhilfe durch die anderen und der Qualifikation über ein Entscheidungs-Elfmeterschießen abgesehen. Positiv war, daß die Haie Ludweiler unbedingt gegen uns gewinnen mußten, so konnten wir wieder auf Konter spielen. Als dann Paulus eine unserer ersten Chancen zur Führung nutzte, war die Sache schon fast entschieden. Jens und Paulus erhöhten auf 3:0, und somit war das Halbfinale erreicht.
Schon jetzt war das Turnier ein toller Erfolg, aber wir wollten natürlich mehr. Eigentlich hätten wir uns jetzt in die Hose machen müssen, denn unser ex-Gruppen- und kommender Halbfinalgegner Hänsel und Gretel war bisher enorm stark gewesen. Aber wir waren ja auch noch ohne Niederlage, und: Wir hatten drei Auswechselspieler, die keinen. So bauten wir auf unsere Kondition, und siehe da, als der gegnerische Libero von einem Ausflug nach vorne nicht zurückkehrte, rappelte es: Paulus schaffte nach einem Alleingang das 1:0, zum Entsetzen der Zuschauer, die aus mir unerfindlichen Gründen auf der Seite des Gegners waren. Wie kann man nur von Defensivfußball in Perfektion nicht begeistert sein?
Damit mußten die anderen natürlich aufmachen und hatten auch Riesenchancen zum Ausgleich. Gleich zweimal rettete die Querlatte für uns, bevor Lemmi das Spiel entschied. Schließlich erhöhte Jens noch auf 3:0, und sogar die Chance zum 4:0 war da, aber Paulus sah den mitgelaufenen Lemmi nicht rechtzeitig. In diesem Moment war unser ganzer Erfolg in Gefahr, denn Hödde warf Paulus Eigensinn vor, und dieser fühlte sich beleidigt, hatte er doch schon 9 Scorer-Punkte zu diesem Zeitpunkt. Irgendwie kam aber dann doch wieder Friede in die Mannschaft, und wir konnten das Endspiel als Einheit beginnen.
Hier hatten wir den Papst in der Tasche und den Arno im Tor. Soll heißen: Entweder wurde ich angeschossen, oder aber der Ball ging auf mysteriösen Wegen an Latte oder Pfosten. Eine echte Torchance hatten wir keine. Aber wir hielten das 0:0. So mußte also ein Siebenmeterschießen entscheiden. Aufgrund der Tatsache, daß der Torwart schießen mußte, und weil mir schon seit dem letzten Vorrundenspiel ziemlich schlecht war (vielleicht war es der komische Kuchen, den ich zu mir genommen hatte), spielte ich mit dem Gedanken, Jens ins Tor zu lassen. Das wäre aber Feigheit gewesen, und so gab es dann keinen Torwartwechsel. Unser erster Schütze hieß Ihlee, und der verwandelte eiskalt. Den zweiten Siebenmeter schoß der Lockenkopf von Mittelmeer Saarlouis. Der hatte im Halbfinale dem gegnerischen Torwart einen Strafstoß durch die Beine gebolzt. Ich entschied mich also für die mittlere Ecke und bekam die Beine gerade noch rechtzeitig zusammen, um den Schuß halten zu können. Dadurch motiviert trat ich nun selbst an, aber der Kullerball, der dann rauskam, war kläglich. Nachdem der nächste Gegner den Ball an die Latte gerußt hatte, war Jens dran, und auch er ließ dem Torwart keine Chance. Auch den dritten Schuß konnte ich halten, und nun hatten wir 2 Tore Vorsprung bei noch 4 Siebenmetern. Das hieß also: 4 Matchbälle für uns. Den ersten vergab Paulus, der zweite wurde vom 4. gegnerischen Schützen abgewehrt. Dann kam Lemmi, legte sich den Ball zurecht und machte den Torwart zuerst mal nervös, indem er bis zur Mittellinie Anlauf nahm. Das war natürlich nicht erlaubt, und Lemmi mußte die Rückreise zum Freiwurfkreis antreten. Nur noch 2 Schritte Anlauf, aber das genügte. Lemmi spielte Billard mit dem Pfosten und dem Rücken des Torwarts, und dann kullerte der Ball ins Netz. Das war der Sieg, auch wenn es einige von den anderen noch nicht wahrhaben wollten. Die Diskussion war aber aussichtslos, Tatsache war, daß der FC Bolzwies mit einer Super-Leistung von Nummer 1 bis 11 seinen ersten Turniersieg der Vereinsgeschichte, aber schon den z weiten Pokal innerhalb von 6 Wochen eingeheimst hatte.
Arno im Tor war heute unüberwindlich, Hödde glänzte als umsichtiger Libero, Thielee und Ihlee ackerten bis zum Umfallen, Tucker war enorm zweikampfstark, Lemmi überzeugte in der Manier eines Uwe Bein (obwohl er lieber Susi Zorc heißen würde), und Jens Coolman und Marc Iceman sorgten für eine hochprozentige Chancenauswertung.
Ebenso hochprozentig wurden dann die Belohnungen, die wir uns aufgrund dieser Leistung selbst zukommen ließen. Es begann mit ein paar Flaschen Bier, die wir uns unter der Dusche schmecken ließen. Besonderer Dank gebührt hier Thielee, Jens und Marc, die nach Aufzehrung der Vorräte, nur mit einem Handtuch oder einer Mütze an der richtigen (?) Stelle bekleidet, für Nachschub sorgten. Die Stimmung war echt super, einige Spieler von FC Margot 86, gegen die wir nach dem Turnier noch ein Freundschaftsspiel (5:0-Sieg) bestritten hatten, und mit denen wir uns die Kiste teilten, heizten noch mehr an.
Die Heimfahrt war nicht weniger lustig, der Höhepunkt war aber der Abend. Über die Strecke Ihlee-Jens-Tucker-Paulus-Thielee-Arno-Hödde wurden fast alle Spieler aufgesammelt, nur Lemmi zog es vor, Eishockey zu gucken. Selber schuld, kann man da nur sagen, denn er hat echt was verpaßt: Laut singend ging es, mit einem vollen Pokal und einer weiteren Sektflasche bewaffnet, ins Wirtshaus (ehem. Queen Mary) nach Köllerbach. Hits des Abends waren dabei die Evergreens "Eieieiei, Fastnacht uff da Bolzwies", "Wir holen den U-U-EFA-Cup" und viele andere. Vielleicht bringen wir irgendwann mal eine Schallplatte raus, Interessenten wenden sich bitte an die Redaktion des Bolzwies-Echos.
Im Wirtshaus wurde der Pokal natürlich wieder gefüllt und genauso natürlich wieder geleert (Duda duda he!) Ebenso erging es einigen Bier- und Wodka Lemon- Gläsern sowie Pizza-Tellern. Das alles blieb aber weitgehend im vernünftigen Rahmen. Nur einer, hier einfach Marco Paul genannt (Name von der Redaktion leicht geändert), hat dabei ein wenig übertrieben. Zunächst zerquirlte er seine Pizza, aß überwiegend von fremden Tellern, warf Zitronenscheiben in den Aschenbecher und dann in Arno's Glas und marschierte schließlich Arm in Arm mit einem Gummibaum durch die Wirtschaft. Die bis dahin erstaunlich beherrscht wirkende Bedienung mußte dann mit einem Nervenzusammenbruch in das nächste Krankenhaus eingeliefert werden. Auf dem Heimweg brachte M.P. dann noch einer Mülltonne das Tanzen bei und klingelte den Kippen-Kief aus dem Schlaf. Spätestens am nächsten Morgen aber, als der Übeltäter sich alles noch einmal durch den Kopf gehen ließ (bildlich UND wörtlich), wußte er, daß er wohl etwas übertrieben hatte.
Alles in allem wohl ein Tag, den keiner der Beteiligten so leicht vergessen wird.