Alle Jahre wieder

Bolzwies-Echo 1/97,   15.04.97,   Artikel 8 von 12   zurück    weiter    Inhalt

Bericht vom Commerzbank-Turnier am 1.2.1997 in Duisburg. Von Andreas Kläser.

Diesen Bericht widme ich meiner Tante Liesel und meiner Cousine Silke, die beide sehr große Fans des FC Bolzwies sind und mit großem Eifer jede Bolzwies-Echo-Ausgabe lesen. Für sie habe ich mir besondere Mühe gegeben.

Alle Jahre wieder fährt die BSG der CCB am ersten Februarwochenende zur Teilnahme am Hallenfußballturnier der dortigen Commerzbank nach Duisburg, und so war es auch in diesem Jahr.

Pünktlich um 5:45 Uhr traf ich an der Tiefgarage Saarbrücken/Faktoreistraße ein, Klaus (Welsch) und Rolf (Zimmermann) waren schon da, kurz darauf trafen auch noch Hödde und Bernhard Bach ein. Es fehlte nur noch einer, und das war unser Torwart: Wo war Gerd Delles?

Um 6:00 Uhr dann gingen Bernd, Hödde und ich schon mal ins Bahnhofscafé unser Frühstück kaufen, während Klaus und Rolf noch warten wollten. Im Café war eine Menge los, und wir bewunderten die Bediensteten: Zwei sehr robuste Frauen, und das mußten sie wohl auch sein, denn man muß schon Nerven wie Drahtseile haben, wenn man solche Kundschaft hat, die sich wissenschaftlich gesehen in zwei Gruppen aufteilen lassen: Das eine sind die Obdachlosen oder Penner, die - meist friedlich, manchmal aggressiv, aber immer stockbesoffen - nur noch einen Lebensinhalt kennen, nämlich den Bierdosen- oder Flachmann-Inhalt (dabei scheint es für das Leeren von Weizenbiergläsern unter freiem Himmel nur von untergeordneter Bedeutung zu sein, ob gerade plus 30 oder minus 5 Grad herrschen). Das andere sind solche Pens wie wir, die Reisenden, die einfach nur auf den Zug warten und immerhin schon zwei Probleme im Leben haben: Erstens: Was essen oder trinken wir heute (und damit unterscheiden wir uns noch nicht sonderlich viel von der ersten Gruppe) ? Und zweitens: wie sind wir beim Turnier erfolgreich? Die erste Frage war leicht zu beantworten: 12 in eben diesem Café erstandene Brötchen und einen Haufen Bier bzw. Malzbier (für die Sportler), bei Frage zwei taten wir uns schon etwas schwerer, denn da war ja noch eine Unbekannte zuviel mit in der Rechnung, und deren Wert war wohl bis kurz vor Anpfiff nicht herauszufinden: Kam Gerd Delles noch oder kam er nicht mehr? Denn als der Schaffner pünktlich um 6:12 Uhr das Signal zur Abreise gab, war klar, daß - zumindest auf der Hinfahrt - eines der sechs Bahntickets unbenutzt bleiben würde. Denn der Inhaber des sechsten - sein Name sollte dem aufmerksamen Leser mittlerweile geläufig sein - blieb verschollen. Unsere noch hoffenden Blicke aus den Fenstern des abfahrenden Zuges auf den Bahnsteig, suchend nach einem Paar Turnschuhe mit Funken darunter, einer Staubwolke dahinter und einem Gerd Delles darin - irgendwann (ich glaube es war nach der ersten Kurve) erstarben sie, und zurück blieb eine Ratlosigkeit, Hilflosigkeit, Schicksalsergebenheit, wie man sie auch so ungefähr erlebt, wenn man seine gesamte Existenz im Roulette auf rot gesetzt hat und der Croupier gerade gesagt hat: "Rien ne va plus" (Für die, die kein Englisch können, das heißt so viel wie "Kumm, ma gehn ins Plus", und was das bedeutet, Balou fragen!). Von nun an konnten wir nichts mehr tun. Wir mußten warten, wie die Kugel fiel. Fiel sie auf rot (d.h. Gerd Delles schaffte die Anreise noch irgendwie, und das hätte er auf verschiedene Arten schaffen können: a) indem er mit dem eigenen Auto nach Duisburg fuhr, b) indem er dem Zug hinterherlief, bis er ihn eingeholt hatte oder c) indem er Karsten (unseren sechsten Feldspieler) und Karin (dessen Herzblatt) anrief, die mit ihrem eigenen Wagen anreisen wollten), auf Schwarz (er kam nicht mehr, weil er a) am Vorabend etwas dem Alkohol zugesprochen hatte war und das Klingeln des Weckers erst nach erfolgreich überstandenem Koma gegen 17 Uhr hörte, b) ihm was passiert war (was wir natürlich nicht hofften) oder c) tja, jetzt wäre es gut gewesen, wenn mir ein drittes Beispiel eingefallen wäre) oder gar auf zero (das hätte bedeutet, daß der Zug entgleiste)?

Was blieb uns anderes übrig als uns in unser Schicksal zu ergeben? Wir machten es uns also in unserem Großraum-Abteil gemütlich und begannen zunächst damit, die neuesten Unglaublichkeiten des Weltgeschehens der Tagespresse zu entnehmen. Das war natürlich anstrengend, und wir bekamen alle einen riesigen Durst davon, aber zum Glück hatte Rolf ja seinen Kaffee dabei. Und obwohl ich meinen Kaffee sonst immer aus einer Tasse trinke, bin ich felsenfest davon überzeugt, daß ich die Marke, die Rolf zu sich nahm (aus grünen 0,5-Liter-Dosen mit goldener Aufschrift (der Name begann mit "Kar", aber es war auf keinen Fall "Caro"-Kaffee, denn das schreibt man ja mit "C".)) schon mal irgendwo gesehen habe , nur wo?

So ermuntert ging es dann ans Uno-Spielen. Allein die Tatsache, daß ein zunächst sehr skeptischer, des Spieles nicht kundiger Banker Bernhard Bach mittlerweile zum wohl größten Fan des UNO-Spieles auf Gottes weiter Erde herangereift sein dürfte, zeigt, daß dieses Pappblättchen-Gedresche doch weitaus lustiger sein muß als in einem solchen Bericht auch nur annähernd wiederzugeben ist. Neben dieser "Bekehrung zum Zocken" zeichneten sich noch Thomas H. und Rolf Z. als Erfinder aus, als sie versuchten, den fast tropischen Temperaturen im Zug (so ca. 21 Grad) mit einem Karten-Fächer Herr zu werden (den sie sich natürlich vorher durch geschicktes Spielen verdienen mußten) , Arno K. scheiterte beim Versuch, während des Spieles den Wert einer Karte umzudefinieren (aus eins mach zwei), und Klaus Welsch - der leider noch nicht zu den begeisterten Unoisten zu zählen ist - telefonierte indes auf seinem Pfälzer Handy mit der Heimat und versuchte, den Aufenthaltsort des vermißten Torwartes herauszubekommen. Geschafft hat er es natürlich nicht, oder glaubt jemand allen Ernstes, daß man mit einem Pfälzer Handy wirklich telefonieren kann?

Ohne weitere besondere Ereignisse erreichten wir über Koblenz (da wechselten wir wie immer die Fahrtrichtung), Köln (da stiegen wie immer eine Menge Leute zu) und Düsseldorf (da gabs wie immer das Adventskalenderchen-Häuslein mit den Nummern an den Fenstern (und wohl auch dahinter, aber die sah man natürlich nicht)) Duisburg-Hauptbahnhof. Wie immer stiegen wir in die Straßenbahn zum Hotel Salm in Duisburg/Marxloh, bezogen wie immer dort unsere Zimmer, setzten uns wie immer in ein Taxi und ließen uns wie immer zur Albert-Einstein-Halle nach Hamborn/Neumühl kutschieren. Da kam auch gleichzeitig schon unser erster Gruppengegner - Frankfurt - an, und ich wünschte mir, daß der eine, der da in Schlangenlinien zur Halle torkelte, doch bitte spielen würde, denn daß der noch irgendwann im Laufe des Tages auch nur eine einzige kontrollierte Ballbehandlung zeigen sollte, war so unwahrscheinlich wie Schneeglätte auf einem Bahnsteig bei 6 Grad plus. Doch das war zunächst einmal zweitrangig, denn bald sollte sich entschieden haben, wohin die bei der Abfahrt gestartete Roulette-Kugel fiel: Auf zero fiel sie nicht (auch wenn bei diesem Turnier schon im voraus klar war, daß die Bank gewinnt), denn der Zug blieb auf den Gleisen. - Blieb die Frage: rot oder schwarz? Also: Hallentür geöffnet, "Hallo, Tag, wie geht's?", Kabine 1: Hamburg, Frankfurt, Kabine 2: Düsseldorf, Erfurt, Kabine 3: Berlin, Mönchengladbach, Kabine 4: Duisburg, Essen, Kabine 5: Saarbrücken. Tür auf. Keiner da. Aber zwei Taschen. Und außer uns keine Mannschaft in dieser Kabine? Das konnte nur heißen: Karsten war da, Gerd Delles war da, und alle schrein Hurra.

Und so war es dann auch: In der Halle saß er, der Übeltäter, halb grinsend, halb beschämt, er hatte verschlafen, war um sechs Uhr erst aufgewacht, war ins Auto gesprungen, zum Bahnhof gedüst, aber erst um 6:15 Uhr auf dem Bahnsteig angelangt. Da war der Zug schon weg. Aber da Karsten erst um 9 Uhr losfuhr, reichte das noch mehr als dicke, sich den Rücksitz in dessen Auto zu reservieren.

Wir zogen uns dann um, machten uns warm, ich machte meine Angscht-Bach, und los gings zum ersten Spiel gegen - die Eintracht hätte ich fast gesagt - Frankfurt. Zu diesem Zeitpunkt gings uns blendend, wir hatten uns viel vorgenommen (mindestens Endrunde), waren optimistisch, frisch, und: Wir hatten ihn wieder gesehen. Nicht den Yeti. Nicht Willi Entenmann. Auch nicht Karl Ebersold oder Hans-Günter Bäumler alias Werner von Lüderich-Luttwitz. Nein. Wir sahen Willi Tanner aus der Serie Alf! Der war heute zwar wieder inkognito da (er hatte sich als Schiedsrichter verkleidet, aber weil er das schon die drei vorigen Male getan hatte, erkannten wir ihn natürlich sofort). Und hiermit hatten wir für diesen Tag ein weiteres Ziel, das mindestens so hoch anzusiedeln war wie der sportliche Erfolg: Wir brauchten endlich ein Beweis-Foto. Wie das zu bewerkstelligen sein sollte, wußten wir allerdings noch nicht, und wir stellten dieses Ziel zunächst einmal hintenan, denn jetzt galt es wirklich zunächst einmal, einen guten Turnierauftakt zu finden. Das war jedoch - im Nachhinein betrachtet - nicht besonders schwierig. Denn die Frankfurter schienen ausnahmslos eine sehr feuchtfröhliche Anreise gehabt zu haben, besonders der eine, der mir schon vor der Halle aufgefallen war (the Flyer tauften wir ihn), und der die Rückennummer 10 trug (und damit eine Beleidigung für alle Flemmings dieser Welt darstellte), trug eine Fahne mit sich herum, die jedem Bundesliga-Fanblock zur Ehre gereicht hätte, und war auch etwas übermotiviert, was sich darin äußerte, daß wohl niemand, der diesen Spieler an diesem Tage gesehen hat, jemals wieder in seinem Leben Jürgen Klinsmann als Flipper bezeichnen würde. Außerdem fällte er (nicht unbedingt mit Absicht, aber doch ziemlich hart) Hödde an der Bande, führte gegen Berlin einen Freistoß aus, obwohl es Einwurf für den Gegner gab, trieb seine Mannschaft auch nach 0:4-Rückstand gegen Essen 30 Sekunden vor Schluß weiter an, meckerte gegen Erfurt nach einem nicht abgepfiffenen Rückpaß auf den gegnerischen Torwart so lange mit dem Schiedsrichter, bis das entscheidende 0:1 fiel und wurde dann endlich mit 237 Adrenalin von seinem Trainer vom Feld geholt, nachdem der Schiedsrichter nach einer Tätlichkeit, die für einen Lehrfilm "Nachtreten, aber richtig" wie geschaffen gewesen wäre, alle Augen der Welt zugedrückt und ihm nur eine gelbe Karte gezeigt hatte. Das Sportliche im Auftaktspiel ist schnell erzählt, schon nach 30 Sekunden führten wir 1:0, gingen dann sehr fahrlässig mit unseren zahlreichen Chancen um und siegten am Ende klar mit 3:0.

Vor dem zweiten Spiel (gegen Erfurt) rechneten wir wie folgt: Frankfurt würde an diesem Tage wohl nichts reißen, Essen war zu stark, gegen Berlin müßten wir eigentlich gewinnen, aber Erfurt war sehr stark im ersten Spiel, und der zweite Tabellenplatz in der Gruppe wird wohl unter uns beiden ausgemacht werden. Dementsprechend hochmotiviert (das heißt aber nicht unfair) gingen beide Teams zur Sache, wir hatten zunächst die besseren Chancen, aber nach 7 Minuten kam der große Schock: 0:1. Unsere Moral war jedoch intakt, und kurz darauf konnten wir trotz einer versuchten Notbremse der gegnerischen Nr. 6 zum 1:1 ausgleichen. Das war auch der Endstand, und wir waren damit zufrieden.

Leider wohl zu zufrieden, wie sich herausstellen sollte, denn große Gedanken vor dem Spiel gegen Berlin hat sich wohl kaum einer von uns gemacht. In Sachen Niveau des Humors waren die Berliner uns natürlich weit unterlegen (Deren Spielmacher über eine Seite mit Busenwundern in der "Blöd am Sonntag": "Das sind alles meine Ex's" - Hahaha!), aber doch lachten sie am Ende besser, denn sie gewannen das Spiel mit 1:0. Grund war wohl einerseits das im Unterbewußtsein in solchen Situationen immer vorhandene "Das schaffen wir, ohne 100 Prozent zu geben" und andererseits die katastrophale Chancenauswertung.

Damit waren wir so gut wie draußen, lediglich ein Sieg gegen den haushohen Favoriten Essen bei einem gleichzeitigen Unentschieden der Berliner gegen Erfurt hätte uns noch weiter geholfen. Wir waren ziemlich down, aber trotzdem wollten wir im letzten Spiel noch mal alles versuchen. Wir fingen zwar gut an, aber schon nach wenigen Minuten stand es 0:1. Die Essener bis dahin wirklich eine Klasse besser, aber wir rappelten uns auf: 1:1. Wieder Hoffnung. Direkt im Gegenzug jedoch das 1:2, die Entscheidung? Nein. Wieder schafften wir den Ausgleich. Aber auch der hielt nicht lange, bald schon stand es 2:3, 2:4. Nur noch 5 Minuten. Alles gelaufen. Aber egal, einfach weitergemacht! 3:4, noch 2 Minuten, 4:4, noch 30 Sekunden. Aber zu spät. Wir waren draußen. Doch durch diesen offenen Schlagabtausch hatten wir gezeigt, daß wir es doch noch konnten, und die Stimmung besserte sich wieder - zunächst ganz langsam, dann aber rapide, denn dann gab es eimerweise Freibier.

Und jetzt wollten wir wenigstens den Willi-Tanner-Schnappschuß. Zuerst probierte es Klaus: Wir stellten uns in Pose, Klaus hielt den Fotoapparat schußbereit, und wartete darauf, daß der Schiri, der vor uns an der Außenlinie ein Spiel leiten mußte, mal mit dem Gesicht zu uns durchs Bild lief. Aber irgendwie klappte das nicht so recht, also wechselte Klaus die Position, stand jetzt nahe einem anderen Schiedsrichterkollegen und tat so, als wollte er uns fotografieren. Aber immer wieder schielte er zu Tanner hinüber. Ohne Erfolg. Dann bot sich der andere Schiri an, ein Foto von uns zu schießen. Wir willigten - innerlich grinsend - ein und setzten uns in Stellung. Gerade, als der Schiri auf den Auslöser drücken wollte, kam Tanner vorbei und sah seinen Kumpel (Trevor Ockmaneck hieß der (wie schreibt man das eigentlich?)) mit einem unbeschreiblichen Gesichtsausdruck von der Seite an, den kann man gar nicht beschreiben, so unbeschreiblich war der. Jedenfalls konnten wir bald nicht mehr vor Lachen. Als nächstes versuchte es Gerd mit einem Überraschungsangriff, aber auch das haute nicht hin. Schließlich fragten wir dann doch die Schiris um Erlaubnis, ein Gruppenfoto mit ihnen schießen zu dürfen. Das erste wurde wirklich eines, beim zweiten wurde dann nur Willi Tanner herangezoomt, und wenn alles gut gegangen ist, findet sich das Foto irgendwo in diesem Echo, und ihr werdet sehen, daß ich nicht übertrieben habe (ich übertreibe eigentlich nie).

Unter der Dusche waren wir uns dann einig: Ausgeschieden? DAS GIBT'S DOCH GAR NICHT! Und so sangen wir noch lustige Lieder und ließen unseren Aufenthalt in der Halle zwar nicht euphorisch aber doch vergnügt ausklingen.

Es stand nun der Fußmarsch zur Gaststätte Oploh auf dem Programm, ein eigentlich recht kurzer Weg, der jedoch im Jahr zuvor eine einzige Strapaze war, weil wir damals noch mit Ballast beladen waren, einem 85 kg schweren Ballast namens Stefan Welsch, der in Sachen Blut im Alkohol das direkte Vorbild des Frankfurter Zehners hätte gewesen sein können. Diesmal schafften wir das ganze flott in 15 Minuten und kehrten dort ein, wo einst ein gewisser Josie sich durch gesittetes Benehmen, ein gewisser Bernd Steininger durch gereimte Balladen und ein gewisser Ferdi Welter durch geschickte Balanceakte ausgezeichnet hatten.

Heute war jedoch nichts besonderes los, wir aßen da halt unser obligatorisches Zwiebelschnitzel, flachsten über dies und das, ließen uns Getränke spendieren, und Klaus gab auf seinem Pfälzer Handy die Ergebnisse des Tages an die Sportredaktion der Saarbrücker Zeitung, des Rheinischen Merkur und der Berliner Morgenpost durch.

Endlich war es vorbei, denn im Gegensatz zu den Jahren vorher waren wir noch ziemlich frisch (wir hatten unsere Kräfte in der Vorrunde ja für die Endrunde aufgespart, die wir aber dann nicht erreichten), und wir wollten alle noch weg gehen. Da gibt es nämlich in Oberhausen ein neues, riesiges Einkaufszentrum, das centrO. Da gibt es neben Geschäften, die aber erwartungsgemäß um 22 Uhr am Samstag Abend nicht mehr geöffnet hatten, eine Menge Kneipen, einen "Spucki" (das ist Delles-Slang für "Geldautomat"), natürlich ein Mc Donalds, und den Planet Hollywood, das ist so'n Laden, in dem 'n Haufen Filmrequisiten (unter anderem Terminator Arnold S. - ich hab ihn mir größer vorgestellt) ausgestellt sind, Handabdrücke und Unterschriften verschiedenster Hollywood-Stars (Clint Eastwood) im Beton zu finden sind, und wo man sogar noch was essen kann. Da sind wir also noch hingefahren, und es war schon beeindruckend riesig dort.

Wir sind dann in so ne Kneipe rein, die hieß Louisiana, und hatten zuerst mal Probleme, einen Platz zu finden, denn wir waren nicht die ersten dort. An Sitzplätze war nicht zu denken, also Suche nach dem perfekten Stehplatz, und dann hatten wir ihn gefunden. Hinter uns ein Tisch mit einem Haufen von Leuten, deren Kleider (feinste Tücher, Pelze) und Ausstattung (Goldkettchen, Handy) uns schon gleich signalisierten: Die sind was besseres als wir. Links von uns Verschiedene Inventar-Gegenstände wie Jazz-Trompeten oder ein paar Schrumpfköpfe aus der großen Soul-Zeit, rechts von uns ein paar Monitore, auf denen Musikvideos liefen, die aber komischer weise nicht zu der Musik paßten, die um uns herum ertönte. Über uns ein paar Ventilatoren mit nur einem Antrieb, untereinander durch Gummibänder verbunden und vor uns: Die Theke, zwei nette Mädels aus dem Ruhrpott (die wir NICHT belästigt haben (wir haben sie gefragt)) und eine Schale Erdnüsse. Der Abend wurde lustig. Arno zeigte den Erdnuß-Trick, Gerd Delles tätigte eine völlig sinnlose Investition, und das Köpi (König Pilsener, die Red.) schmeckte zu angemessenen Preisen (3,80 die Tulpe) hervorragend. Wir blieben nicht übermäßig lange dort, denn erstens hatte Hödde schon seit über einer Stunde nichts mehr gegessen und zweitens wollten wir ja noch in eine Disco mal so richtig abrocken gehen. Nachdem wir uns also hatten erklären lassen, daß wir prinzipiell in den - ach, Gerd, jetzt hab' ich doch glatt vergessen, wie der heißt. Aber Du weißt es ja sicher noch, oder? - ja richtig, Delta Park oder aber in die Turbinenhalle gehen könnten, entschieden wir uns dann einstimmig ("Na, wohin gehn ma jetzt?" - "Mir Egal" - "Mir aach, hauptsach' laut" - "Turbinenpark" - "Mussik!!!!" - "Wie heischt das Ding noch?") doch für den Delta-Park. Ausschlaggebend waren wohl letztendlich nur die geringeren Fahrtkosten dorthin gewesen.

Dort angekommen bezahlten wir zuerst mal den Taxifahrer und wollten gerade zum Eingang streben, als uns plötzlich ein Fremder ansprach. Er sei alleine hier, kenne niemanden, und ob er uns nicht in die Disco begleiten dürfte. Da er so traurig dreinblickte, erbarmten wir uns und nahmen ihn in unsere Clique auf. Irgendwie schien er mir bekannt vorzukommen, aber ich dachte nicht weiter drüber nach. Schließlich hatten wir heute schon viel zu viele Bekannte gesehen. Wir also zu fünft zum Eingang, nichtsahnend schon nach Geld für die Eintrittskarte suchend, als es plötzlich hieß: "Eh, Jungens! Hört ma! Mit der Tüpe da kommt ihr hier aber nich rein, wa?" Oh Gott! Gesichtskontrolle! Hätten wir das gewußt, wir hätten uns den Fremden genauer angeschaut. Dann hätten wir gleich erkannt, um wen es sich handelte: Es war - Heino. Er hatte seine Sonnenbrille nicht angehabt (natürlich nicht, es war ja schon nach Mitternacht), deshalb hatten wir ihn nicht sogleich erkannt, doch den Mann am Eingang konnte er nicht täuschen. Klar, daß wir mit ihm nicht in die Disco durften, aber draußen stehen lassen konnten wir ihn auch nicht, denn er drohte, er würde zu singen anfangen, wenn wir ihn alleine ließen. Was blieb uns anderes übrig? Wir leisteten ihm also noch ein bißchen Gesellschaft, spendierten ihm eine heiße Haselnuß und sahen zu, daß er nie in die Reichweite seiner Gitarre kam. Irgendwann schlief er dann ein, wir setzten ihn in sein Wigwam und fuhren - da die Diskothek jetzt schon geschlossen hatte - ins Hotel zurück. Ermüdet, aber doch glücklich bei dem Gedanken, das Ruhrgebiet vor einer akustischen Katastrophe bewahrt zu haben, erreichten wir unser Domizil und begaben uns nach einem Gute-Nacht-Uno zu Bette. So, das - (und nur das!) war der Grund dafür, daß wir nicht in die Disco reinkamen, und nicht etwa, daß zwei von uns verbotenerweise Turnschuhe anhatten.

Der nächste Morgen war wie immer: Super Kaffee, Gutes Frühstück, mittelmäßige Laune, schlechtes Wetter und: Berliner am Nebentisch. Nein, im Ernst: Ich habe nichts gegen Berliner (schon gar nicht gegen Berlin, hach ja, ...). Und auch die da anwesenden Banker waren ganz okay, aber erstens verliere ich nicht gern, und wenn schon, dann will ich zweitens auch irgendwo meinen Frust ablassen können. Nun, genug entfrustet, nach Kofferpacken und Zimmer bezahlen (ja, diesmal haben wir bezahlt), gings zur Straßenbahn und damit zum Bahnhof. Dort hatten wir wie immer noch ein halbes Stündchen Zeit für unseren traditionellen "Skandal am Morgen". Konnten wir im letzten Jahr noch tiefere Einblicke in die Duisburger Drogenszene gewinnen, so waren wir dieses Mal Zeuge, wie ein Betrunkener aus einer Wirtschaft geworfen wurde. Naja, leider nicht geworfen im wörtlichen Sinne, das hätte Spaß gemacht, so richtig mit Hocker durch die Scheibe, au ja! Nein, nur herauskomplimentiert, wie das im Hochdeutschen so schön heißt.

Um halb zwölf kam dann unser Zug, doch einer fehlte: Gerd Delles war es diesmal nicht, der wich den ganzen Morgen keinen Zentimeter von unserer Seite, sondern Bernhard Bach, der noch Verwandte besuchen war und sich mit uns am Bahnsteig treffen wollte. Aber er war nicht da, aber da wir das Turnier ja schon hinter uns hatten, war uns das egal. Als wir schon eingestiegen waren, kam er dann doch noch, und somit hatte sich die Uno-Runde um 25 % vergrößert. Zunächst spielten wir aber noch kein Uno, denn mit den Reservierungen hatte irgend etwas nicht geklappt gehabt, und zwei Frauen saßen auf unseren Plätzen. Obwohl wir eigentlich im Recht waren, nahmen wir dann doch letztendlich den Rat unserer Anwälte an, die Damen doch Platz behalten zu lassen, denn erstens fuhren sie ja nur noch eine Station weiter, zweitens waren im Abteil noch 20 weitere Plätze frei und drittens gehören wir ja alle zum "Club der freundlichen Männer", dessen Präsident übrigens Klaus ist.

Und so fuhren wir heim, wie wir gekommen waren: Fünf Leute spielten Uno, und Klaus übertrug die Ergebnisse auf seinem Pfälzer Handy in die Heimat. Es gab auch wieder Brote und Kaffee, Kinder Schokolade und Stixis, und eine Reisende, die uns zusah, und dachte: a) typisch Kind im Manne!, b) ich will auch ein Stück Schokolade oder c) Ich genn mein Hara nitt här. Wenn auch Sie ein neues Haustier gewinnen möchten, schicken Sie die Lösung bitte an Klaus! - (Nicht soviel drüber nachdenken, ist 'n Insider!)

Wir erreichten dann pünktlich Sbr. Hbf., sagten Adios, und waren glücklich und zufrieden. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann fahren sie auch nächstes Jahr wieder nach Duisburg.

Nachtrag: Uno-Egebnisse: Minuspunkte Hinfahrt (35 Spiele): Arno 456, Bernd 622, Rolf 628, Hödde 702, Rückfahrt (45 Spiele): Bernd 885, Arno 998, Hödde 1002, Rolf 1052, Gerd 1162)

Bolzwies-Echo 1/97,   15.04.97,   Artikel 8 von 12   zurück    weiter    Inhalt