Bolzwies-Echo 1/95, 14.5.1995, Artikel 3 von 10 zurück weiter Inhalt
Bericht vom Commerzbank-Hallen-Masters am 4.2.95 in Duisburg. Von Andreas Kläser.
Nein, ich hatte zuerst keine Lust. Ich hätte lieber mit dem FC Bolzwies in Schmelz um die 500 DM Siegprämie gespielt als mich samstags morgens nach viereinhalb Stunden Schlaf auf die Reise in den Ruhrpott zu machen. Aber ich stand - ebenso wie Hödde - bei Klaus im Wort, und so mußte ich dann in den - zu diesem Zeitpunkt noch sauren - Apfel beißen.
Aber ich konnte in Hödde's Auto und im Zug weiterschlafen, und als ich gegen 9 Uhr dann eine Tasse Kaffee getrunken hatte, ging es mir gut, und die Reise fing an, mir Spaß zu machen. Großen Anteil daran hatte wieder einmal unser "sportliches und gesellschaftliches Mänätschment", in Personalunion: Bernd Steininger. Der Meister des Jokes war auf dieser Fahrt in höchster Höchstform und übertraf seine eigene Leistung von Rouäng um Längen. Leider ist nur ein Bruchteil seiner Anekdoten in meinem Gedächtnis hängengeblieben, und leider müssen wir auf den Abdruck anderer Witzchen aufgrund unserer teilweise noch sehr jugendlichen Leserschaft verzichten. Außerdem kann die Atmosphäre in gedruckter Form natürlich nicht echt wiedergegeben werden, darum müßt ihr mir glauben - und dafür gibt es keinen vornehmeren Ausdruck: Es war einfach geil!
Ebenfalls mit von der Partie: Torhüter Gerhard Delles ("Gerd"), die Feldspieler Hans Hubertus ("Hennes"), Stefan Welsch, Bernd Schäfer und Rolf Zimmermann, unser wirtschaftlisches Mänätschment und GmbH-ler (geh mol Bier holle) Ferdi Welter sowie unser finanzielles Mänätschment Klaus "Berlusconi" Welsch.
In der Straßenbahn vom Bahnhof zum Hotel dann der erste Lachkrampf, der nicht vom Bernd verursacht wurde: Ein älterer Herr, der mit uns eingestiegen war, wollte an irgendeiner Haltestelle die Bahn verlassen. Aber irgendwie war er etwas langsam, denn als die Türen wieder zugingen, war gerade mal ein Viertel einer seiner beiden großen Taschen draußen. Glücklicherweise hatte dies entweder der Fahrer oder die Tür selbst bemerkt, denn letztere öffnete sich sogleich wieder. Der Mann war aber danach ziemlich verwirrt. Zuerst versuchte er, mitsamt seinen beiden Taschen rechts am Geländer vorbei auszusteigen, aber der Durchgang war wohl zu schmal. Dann führte er die Tasche in der linken Hand links am Geländer vorbei und ging rechts die Treppe nach unten. Eigentlich schlau gemacht, wenn da nicht am Ende des Geländers eine Stange vom Boden bis zur Decke geführt hätte. Erst als der Mann mit der Schulter schon gegen die Stange geprallt war, schien er das zu bemerken, griff dann mit der rechten Hand, in der er ja noch die andere große Tasche hielt, um die Stange herum zur linken Tasche, wäre dabei fast die letzte Stufe heruntergefallen, schaffte es aber irgendwie doch und konnte schließlich noch unverletzt die Straßenbahn verlassen...
Anschließend gab es nichts besonderes mehr, wir wohnten wie in den beiden Jahren zuvor im Hotel Salm in Marxloh, ein schöner Vorort bzw. Stadtteil von Duisburg, fast so schön wie Völklingen. Wie zuvor waren auch die Berliner Spieler in unserem Hotel. Und wie zuvor fuhren wir mit dem Taxi zur Halle.
Mittlerweile waren wir alle heiß auf dieses Turnier, heiß aufs Toreschießen, heiß aufs Gewinnen. Natürlich war auch eine gewisse Nervosität zu spüren: Hödde, der sich aufgrund seiner grandiosen Leistung im Vorjahr die Rückennummer 10 erarbeitet hatte, zitterte so sehr, daß die Tribüne einzustürzen drohte. Aber zunächst einmal hieß es: Warten und zusehen.
Nachdem die ersten beiden Spiele des Turniers jeweils 0:0 geendet hatten, waren wir an der Reihe. Zwar prophezeihte Rolf: "Dann schießen halt wir das erste Tor des Turniers", aber ich glaubte ihm da nicht so recht, denn schließlich spielten wir gegen den Vorjahresvierten, die Commerzbank aus Essen.
Es zeigte sich schnell, daß ich zu pessimistisch gewesen war, denn wir hielten in diesem Spiel sehr gut mit. Die Essener waren zwar technisch etwas besser, erarbeiteten sich auch einige Torchancen, die alle von Gerd entschärft wurden, aber wir waren auch nicht ungefährlich. So nach sechs Minuten fuhren wir dann einen erneuten Angriff in Richtung Essener Tor, der Ball wurde zunächst abgefangen, doch Hödde erkämpfte ihn sich zurück, lief noch ein paar Schritte damit und zog dann ab. Und nur wer nachempfinden kann, wie es ist, wenn so ein Ball dann wie ein Fisch im Netz zappelt, noch ehe der Torwart ihn auch nur gesehen hat, wenn sieben Spieler und drei Manager die Arme in die Luft reißen, weil eine Überdosis Adrenalin durch ihre Blutbahnen jagt, wenn der ohrenbetäubende Torschrei die Halle wackeln läßt, alle die Fäuste ballen, nach dem Motto: Jawohl, wir können das schaffen, auch gegen einen solchen Gegner - nur der kann überhaupt verstehen, was daran so toll sein kann, ein rundes Stück Leder mit Füßen zu treten.
Von nun an spielten wir wie im Rausch, und die Zuschauer waren begeistert. In der Szene, als ich mich zweimal in Folge erfolgreich in die Schußbahn des Gegners warf, ehe Gerd den dritten Schuß aus dem Winkel fischte, konnten auch die neutralen Zuschauer nichts anderes tun als unserem fight mit standing ovations Anerkennung zu zollen.
Und im Gegensatz zum Vorjahr konnten wir diesmal die Führung über die Zeit retten. Damit war es sehr unwahrscheinlich geworden, daß wir in unserer Gruppe noch den letzten Platz belegen würden, und damit hätten wir das Vorjahresergebnis (8. Platz) zu diesem frühen Zeitpunkt schon erreicht gehabt.
Und nun wollten wir natürlich noch mehr, vor allem im zweiten Spiel: Die Weseler waren nicht mehr ganz so schlecht wie im Vorjahr, aber wir wollten trotzdem gegen sie gewinnen. Leider war deren Taktik dann doch sehr defensiv, und da wir natürlich nicht ins offene Messer laufen wollten, konnte man unser zweites Gruppenspiel als einigermaßen destruktiv bezeichnen. Das Chancenverhältnis war dann etwa 3:0 für uns, wobei Rolf nach Arno-Paß die dickste Chance hatte, aber der Torwart hielt gut. So gab es dann halt ein trostloses 0:0 gegen einen Gegner, der die gleichen Trikots anhatte wie unsere Freunde von den Eisbären 95, nur halt in grün statt in weiß.
Im dritten Spiel gegen den haushohen Turnier-Favoriten aus Hamburg war es unser Ziel, ein 0:0 zu halten. Das klappte zunächst sehr gut, und wäre dann fast noch besser geworden, denn wir schossen das erste Tor: Irgendjemand - ich weiß nicht mehr, wer - hatte einen Schuß aufs Hamburger Tor abgegeben, der gegnerische Torwart fiel, konnte den Ball nicht festhalten, Rolf setzte nach und schob das Leder über die Linie. Doch zu unser aller Überraschung erkannte der Schiedsrichter auf Foul, und das, obwohl der Torwart zu dem Zeitpunkt, als Rolf den Ball schoß, höchstens mit dem kleinen Finger am Ball war. Und sicher unter sich begraben hatte er ihn erst recht nicht. Wenn ich daran denke, was das in Schmelz einen Tag zuvor für ein Gestochere war, als Balou und Lemmi auf einem Quadratmeter gegen zwei andere Gegner um den Ball kämpften, ohne daß jemand auf die Idee gekommen wäre abzupfeifen, dann kann man diese Schiedsrichter-Entscheidung getrost als Witz bezeichnen. Aber alle unsere Proteste halfen nichts, es blieb beim 0:0.
Der Ärger darüber war schnell verflogen, was mich mehr und länger aufregte, war, daß ich mich kurz darauf auswechseln ließ und es dann keiner mehr für nötig hielt, mal auf der Bank zu verschnaufen. Stattdessen durfte ich so acht Minuten auf der Bank sitzen, und als ich zehn Sekunden vor Schluß wieder rein durfte, führten die Hamburger 3:0. Ich will nicht behaupten, daß ich irgendeines dieser Gegentore auf jeden Fall verhindert hätte, aber es kann mir keiner weismachen, daß er in 13 Minuten Hallenfußball ununterbrochen alles geben kann, ohne eine Pause zu machen. Auf der Bolzwies haben wir das schon einigermaßen im Griff, nur einer scheint das nicht zu kapieren, aber vielleicht kommt das ja noch.
(Nachtrag: Gerechterweise muß man hinzufügen, daß sich dieser eine in der Zeit zwischen Verfassen dieses Berichtes und Erscheinen dieses Echos doch erheblich gesteigert hat. Gut so, Marc!)
Nun gut, das (zu seltene) Auswechseln war das einzige, das mir an diesem Turnier einschließlich der gesamten Reise nicht gefallen hat, und so extrem wie oben geschildert war es auch nur im Hamburg-Spiel. Pünktlich zum vierten Spiel waren wir wieder eine Mannschaft.
Und das war auch nötig, denn wir hatten gegen Berlin noch alle Chancen: "Wenn wir gewinnen und Hamburg gegen Essen gewinnt, dann sind wir im kleinen Finale." Wer sich diesen Satz durch den Kopf gehen läßt, braucht keinen Motivationskünstler mehr. Im letzten Jahr schon hatten wir die hotelinterne Meisterschaft mit 2:0 (durch zwei Hödde-Tore) für uns entschieden, aber da waren wir krasser Außenseiter. In diesem Spiel aber waren wir der ganz klare Favorit. Wir waren auch besser, hatten die besseren Chancen, aber es fiel zunächst kein Tor. In der 5. Minute vergab Stefan Welsch die Großchance zum 1:0, als er frei vor dem leeren Tor nur noch hätte einzuschieben brauchen, aber der Ball sprang ihm ans Schienbein und ging von dort ins Toraus. Dann mußte Gerd zweimal retten, und in der 9. Minute war es soweit: Wir hatten einen Eckball von links, Rolf wollte ihn flach auf mich spielen. Aber ein Gegner war schneller und blockte den Ball ab. Zum Glück verlor er dann die Übersicht, und der Ball lag einen Augenblick frei herum. Und dann war es soweit: Der Ball lag ruhig, es wehte kein Wind, die Sonne blendete nicht, es regnete nicht (zumindest nicht in der Halle), ich war einigermaßen ausgeschlafen, ich war nicht so sehr in Bedrängnis, die Knochen taten mir nicht weh, und ich hatte etwas Glück, kurz: ich konnte geradeaus schießen, und das mit links und links unten ins Eck, und das war das 1:0. Zwar war es kein solcher Hammer wie beim 1:0 gegen Essen, aber die Wirkung war dieselbe (siehe oben).
In der zwölften Minute die Entscheidung: Stefan Welsch auf halbrechts, flach auf Hödde, der steht noch mit dem Rücken zum Tor, dreht sich um den Gegenspieler herum und vollendet flach rechts unten zum 2:0. Die Wirkung dieses Tores: Siehe oben.
Das wars, damit hatten wir unsere Arbeit getan, sensationelle 5-3 Punkte und 3:3 Tore erreicht, und jetzt hofften wir auf Hamburg. Das Problem dabei war: Ein 0:0 würde sowohl Hamburg als auch Essen zum Weiterkommen reichen. Und wir brauchten einen Hamburg-Sieg. Aber schon schnell war klar, daß daraus nichts werden würde: Als die Essener nach 4 Minuten 2:0 führten (Endstand 4:1), fanden wir uns mit unserem Ausscheiden ab, und Hödde und ich begannen, den Rückstand beim Biertrinken aufzuholen, denn wir waren beide der Ansicht: Vor und während dem Turnier kein Bier, danach aber umso mehr. Ein mittelfristiges Problem wird es noch werden, die Beweisfotos, die Klaus an diesem Abend von einigen Personen schoß, zu ergattern und die Negative zu beseitigen.
Wir mußten dann noch so etwa 90 Minuten warten, ehe uns die Spieler vom Turniersieger (!) Essen in ihren Privatautos zur Gaststätte mitnahmen, wo wir unser Abendessen einnahmen. Der Pegelstand des Alkohols in den Blutbahnen näherte sich bedrohlich dem des Rheines zu diesem Zeitpunkt, aber "das eine Bier zu viel" hat meines Wissens keiner getrunken.
Der Abend war geprägt von Lachanfällen jeglicher Art, meist hervorgerufen durch unseren Bernd Steininger. Den Mann kann man nicht beschreiben, den muß man einfach erleben. Als er die Abschlußtabelle des Turniers auf der Bühne vor dem gesamten Saal in Gedichtform vorgetragen hat - und das alles improvisiert - da habe ich mir sehnlichst eine Video-Kamera gewünscht, um das alles für die Nachwelt festzuhalten.
Der ungefähre Promillestand bei jedem Mitfahrer ist der Redaktion bekannt, unterliegt aber den strengsten Sicherheitsbestimmungen und kann daher nicht veröffentlicht werden. Auf jeden Fall aber kann man sagen: Eine solche dritte Halbzeit hat die Welt noch nicht gesehen. Das könnte einen glatt vom Stuhl hauen (gell, Ferdi?)
Irgendwann ging auch dieser Tag zu Ende. Wir wollten eigentlich noch in irgendeine Disco, aber erstens waren wir körperlich total ausgelaugt, und zweitens war die nächste Disco zu weit von unserem Hotel weg, und so blieben wir dann doch im Hotel.
Am Sonntag gab es dann nichts Besonderes mehr, oder besser: Es gab nichts Neues. Etwas Besonderes war es schon, den Herren Steininger und Co. beim Kattre-Wäng-Däng-Spielen bzw. beim Herumflachsen zuzuhören.
Mit Lachmuskelkater kamen wir um 15:42 in Saarbrücken an.
Als Fazit dieser Fahrt könnte man den Spruch mit den sieben schönsten Dingen des Lebens nehmen, statt "Rauchen" bzw. "Saufen" das Wort "Trinken" setzen und vor allem: als achtes "Fußballspielen" hinzunehmen.