Der 2. Platz

Bolzwies-Echo 1/95,   14.5.1995,   Artikel 6 von 10   zurück    weiter    Inhalt

Stimmungsbericht nach dem Hallenturnier in Achtelsbach bei Birkenfeld vom 25.3.1995. Von Andreas Kläser

Es gibt Momente im Leben, da fühlt man sich wie "Der ewige Zweite". Man hatte ein Ziel vor Augen, legte sein ganzes Denken, Fühlen und Handeln darauf aus, dieses Ziel zu erreichen, und eigentlich lief auch alles sehr gut, aber plötzlich, von einer Sekunde auf die nächste, kommt das Aus. Das ist dann hart, man fühlt sich als Verlierer, hat wieder einmal alles versucht, aber wieder ist der ganz große Wurf nicht gelungen.

Aber dann, nach dem ersten Schmerz, wenn man eingesehen hat, daß man sowieso nichts mehr daran ändern kann, dann erinnert man sich auch wieder daran, wieviel Spaß die Jagd auf den ersten Platz gemacht hat, und man merkt, daß der Versuch, zu gewinnen, fast so schön sein kann wie das Gewinnen selbst. Man sieht dann ein: Man war ja auf dem richtigen Weg, und alles, was gefehlt hat, war ein bißchen Glück oder das richtige Timing, auf jeden Fall nicht viel.

Heute war so ein Tag. Wie hatten wir die Vorrunde beherrscht! Von zwei schwachen Minuten abgesehen, immer Herr der Lage. Wir kontrollierten Spiel, Ball und Gegner. 30:4 Tore und 10:0 Punkte in 5 Spielen sprechen eine deutliche Sprache.

Dann, in der Zwischenrunde, 0:1-Rückstand im ersten Spiel. Der Gegner eine harte Nuß. Die Zeit verrinnt, aber wir kämpfen. Jeder für jeden. Und wir biegen das Ding um: 3:1.

Das nächste Spiel ein lockeres 8:0, und dann ein 3:2 gegen die einzige Mannschaft außer uns selbst, der ich überhaupt einen Turniersieg zugetraut hätte.Acht von neun Schritten getan.

Und dann das Finale. Wie schon zweimal im Turnier kassieren wir in der ersten Minute das 0:1. Aber das schockt uns nicht mehr: 1:1, 2:1, der Titel greifbar nahe. Noch 13 Sekunden, wir verteidigen. Schuß, abgewehrt. Einwurf. Rückpaß. Querpaß. Oh Gott! Warum steht der Mann da so frei? Zu spät: Schuß, Tor, Schlußpfiff. 2:2. In allerletzter Sekunde.

Dann das Siebenmeterschießen. Der Gegner - natürlich - im psychologischen Vorteil. 4:3. Aus. Zweiter Platz.

Neben der zweitbesten Mannschaft insgesamt stellten wir noch den zweitbesten Torwart, den (vermutlich) zweitbesten Spieler und den zweitbesten Torschützen des Turniers.

Außenstehende würden sagen: Darauf kann man stolz sein.

Als Beteiligter sind die Emotionen natürlich nicht auszuschalten: Warum nicht erster?

Aber die Zeit heilt die Wunden, der Schmerz vergeht, und irgendwann fragt man sich dann: Was ist so schlimm am zweiten Platz?

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